Jede/r Pavane

eine Choreografie für einen Raum
La danse macabre

Karl-Heinz Mauermann entwirft 1996 für das Museum für Kunst und Kulurgeschichte, Dortmund, eine Choreografie. Besuchern wird angeboten, Teil der Choreografie zu werden.

 

     

 

Sven Drühl, Künstler und Kunstwissenschaftler, schrieb dazu im Kunstforum: »Eine weitere Motivbearbeitung, die sich inhaltlich wie bildsprachlich sehr viel weiter von den klassischen Totentänzen entfernt als die vorhe gehenden Beispiele, sich aber dennoch direkt auf die Tradition bezieht, ist die in aktionistsich-konzeptuellem Kontext zu verortende Schrittchoreografie Jede/r Pavane mit dem zugehörigen Diavortrag La danse macabre von Karl- Heinz Mauermann. In dieser Zusammenbringung des Vergänglichkeitsgedankens und des Tanzmotivs vollführen die Betrachter ihren je individuellen Totentanz. An den einzelnen Präsentationso ten ausliegende Postkarten teilen den Ausstellungsbesuchern ihre Stellung im Kunstwerk und die jeweilige Aufgabe mit: „Sie besuchen das Museum für Kunst und Kulturgeschichte. Sie gehören von nun an zu den Tänzern von Jede/r Pavane. Der Fußboden im Museum besteht in weiten Teilen aus einem Holzparkett, das starke Helligkeitsunterschiede aufweist. Versuchen Sie mit jedem Schritt die hellste für Sie erreichbare Holzfliese zu betreten.“ Die Pavane, ein würdevoll geschrittener Hof- und Gesellschaftstanz des 16. und 17. Jahrhunderts, dient als Ausgangspunkt der Überlegungen und ist mit dem Totentanz gekoppelt, dessen ironisch-distanzierte Ausarbeitung in dem Diavortrag vorgestellt wird. Der Künstler greift dabei auf die mittelalterliche Ursprungsform der Kombination von Text und Bild zurück. Lag damals der Schwerpunkt auf den Texten (die Bilder illustrierten diesen meist nur), ist jetzt das Bild wichtiger als der Text (welcher aus banalen Ausrufen wie „Ach, leck mich doch am Arsch!“ und resignativen Einsichten wie „Letztlich tanzt jeder für sich allein.“ besteht). Die Motive für den Diavortrag sind allesamt aus vorgefundenem Bildmaterial (Zeitungen, Magazine, Werbebroschüren, Medizinbücher, Filme, Fotos, etc.) mittels des Computers zusammengefügt. Strumpfhosenmodels neben medizinischen Zeichnungen zur Stabilisierung eines gebrochenen Beines. Über allem schweben sporadisch auftauchende Darstellungen eines Totenschädels, der emblematisch kleine Kapitel einleitet und als Detail in verschiedenen Bildern wiederkehrt. Computercollagen. Zwar wird das Schädelmotiv hier auch nur als bloBes Zeichen für den Tod verwendet, aber die Konstellationen und skurrilen Geschichten, die Mauermann vorstellt, überschreiten an Komplexität und Phantasie alle bisherigen Adaptionen des Motivs. Auffällig ist, dass der Auseinandersetzung jeglicher Ernst fehlt. Die Themen Tod und Tanz werden statt dessen zynisch-humorvoll ange- gangen. Sie sind Ausgangspunkt des Spiels mit den festen Topoi, die von Tanzpaaren, über das erotisch konnotierte Motiv Der Tod und das Mädchen bis hin zum Aufruf zur Buße und zur Überleitung erotischer Komponenten in Hardcore-Sexhandlungen reichen. Erneut wird der Tod (aber auch der Mensch) verlacht. Hilfsmittel: Postmoderne Zitatwut.«

KUNSTFORUM INTERNATIONAL Sven Drühl, Tanz mit dem Tod, in: Kunstforum International, Bd. 153, Januar – März 2001, S. 46 f

 

 

 

 

 

 

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